Justizreform in Kroatien ungenügend

Die für einen EU-Beitritt Kroatiens notwendige Justizreform ist nach Meinung der EU-Kommission bis jetzt ungenügend durchgeführt worden. Deshalb scheint, dass das Ziel der kroatischen Regierung, noch vor dem Sommer die Verhandlungen über den Beitritt zur EU abzuschließen, unrealistisch ist.

Mehr dazu hier.

Dazu ein aktuelles Beispiel: Ein Unternehmen hatte vor 5-6 Jahren eine Geldforderung in Höhe von 210 Kuna (umgerechnet etwa 29 Euro) gegenüber einer Privatperson. Diese hielt die Forderung aus sachlichen und gesetzlichen Gründen für unberechtigt und zahlte nicht. Der Unternehmer beauftragte einen Notar (was gesetzlich möglich ist) den Gläubiger aufzufordern die Zahlung zu leisten. Der hat die Zahlung aus den genannten Gründen schriftlich abgelehnt. Daraufhin hörte er lange Zeit nichts. Für Mitte vergangenen Jahres ist dann eine Verhandlung vor einem Gericht anberaumt worden. Diese fand statt. Anwesend waren: Ein Rechtspfleger, eine Protokollführerin, der Rechtanwalt des Klägers und der Beklagte. Die Verhandlung dauerte etwa 45 Minuten und die Parteien haben ihren Rechtanspruch zu Protokoll gegeben. Eine Entscheidung wurde nicht gefällt.

Mitte Dezember fand eine weitere Verhandlung statt. Anwesend waren diesmal neben den Personen, die an der vorherigen Verhandlung teilgenommen haben, zusätzlich noch zwei von dem Beklagten benannte Zeugen. Diese wurden vernommen und die Verhandlung ist nach etwa 60 Minuten, wieder ohne Entscheidung beendet worden. Ein richterliches Urteil wurde bis zum heutigen Tag noch nicht verkündet.

Meinung: Auch an diesem banalen Beispiel aus dem täglichen Leben ist erkennbar, dass in Kroatien eine Reform der Justiz stattfinden muss, wenn das Land ernsthaft Mitglied der EU werden möchte.

8 Kommentare zu “Justizreform in Kroatien ungenügend”

  1. ciovolo

    ja, genauso stellt sich die situation da.

    es ist einfach unmöglich es werden keine entscheidungen getroffen oder

    wenn es darum geht das der staat bzw. die stadt zahlungen leisten

    soll werden immer wieder möglichkeiten gefunden die dinge hinaus zu

    zögern wie in unserem fall bis zu 30 jahren!!! die letzte richterin war 27

    Jahre alt jünger als das ganze verfahren und wieder hat die stadt einen

    abstrusen grund gefunden um das verfahren zu “verzögern” so das nun

    auch noch der oberste gerichtshof angerufen werden muß was weitere

    jahre bis zur entscheidung bedeutet! das ganze system ist faul!!!!

  2. istra

    Neben den Gründen der Ablehnung der EU gibt es einen weiteren Grund: die Justiz hat in allen Sparten nur etwa 25 % der erforderlichen Größe.

    Es gibt weit und breit keine vorhandenen oder geeigneten Gebäude für die Justiz! Wo können denn die zusätzlichen Richter Recht sprechen, die ein Rechtsstaat jedoch benötigt? Wo sind die ausgebildeteten Richter? Neben den unerledigten Millionen Fällen sind ja noch einige weitere Millionen Fälle systembedingt unterdrückt, weil von Haus aus nicht mehr geklagt wird, weil ein Urteil in der Ewigkeit keinen Sinn mehr machen würde!

    Schauen wir uns die Justiz in Europa an. Große Gebäude, Verhandlungssäle, Beratungsräume, Kantinen, Bürofluchten, WC´s auch für “Kunden”, Service, jedes Gerichtsgebäude mehrere 1000 qm groß!
    Diese Gebäude, diese Kapazitäten sind Grundlage eines Rechtsstaates.

    Schauen wir uns die Justiz in Opatija an. Sie nimmt nur EIN Stockwerk in einer alten kaiserlichen Villa ein, verhandelt wird in 2 kleinen Büro-ähnlichen Zimmern, der Rest der Fläche wird für Verwaltungsaufgaben verwendet. Kein WC für “Kunden”, keine Kantine, auch nicht für Beschäftigte, dafür aber existiert eine Bekleidungsordnung. Man fühlt sich ins 18. Jahrhundert versetzt.

    Hier kann Europa so noch nicht stattfinden! Erst muss für die kroatische Justiz erst neu gebaut werden. Es muss ausgebildet werden. Es muss eingestellt werden. Es muss erst mühsam in mehreren Jahrzehnten das Alles erst aufgebaut werden! DARAUF ZU WARTEN WÄRE SINNLOS weil Kroatien nicht in der Lage ist, das so schnell zu erfüllen!

    Stattdessen wäre es hilfreicher, Kroatien würde die strafbewehrte Verpflichtung eingehen, die EU Anforderungen nach einem Zeitplan zu erfüllen und damit 2012 EU-Mitglied werden.

  3. ciovolo

    ich glaube nicht das die justizreform aus platzmagel nicht staffindet.

    das ist eher politisch motiviert obwohl es offiziell anderes gesagt wird.

    in split z.B. ist das Gericht in eine ehemalige riesiege ungenutzte
    Militärkaserne gezogen Platz und Personal ist genug vorhanden schneller sie trotzdem nicht geworden! allein der politische wille fehlt! zumindest bei denen die verantwortlich sind!

  4. istra

    @ciovolo
    Mag sein dass auch der politische Wille fehlt. Aber es fehlt zusätzlich am Geld (was ja auch den politischen Willen als Voraussetzung hat).
    Die räumliche Situation in Opatija könnte man schneller verbessern als alles Andere.
    Aber ich will nicht nur von einem oder zwei Zentren sprechen, ich meine ganz Kroatien und meine, dass der politische Wille immer vorausgesetzt es eine ganze Weile dauern wird, bis das Personal da wäre! Das schiebt den EU-Beitritt, wenn es darauf ankommt, um viele Jahre hinaus!:

    Die Richter, die Staatsanwälte, die Anwälte, die geschulten Angestellten, alles fehlt! Da kommen in ganz Kroatien einige tausend Personen zusammen, die heute nicht zur Verfügung stehen. Bis die ausgebildet sind vergehen im Schnitt 6 Jahre.

    Soviel ich weiß zahlen Kroaten Steuern. Alleine die MWst. beträgt satte 23%. Die Einkommensteuer ist auf vergleichbare Beträge die höchste in Europa.
    Der Staat schuldet daher seiner Bevölkerung einwandfrei funktionierende Gerichte, und zwar auch ganz ohne EU-Ermahnungen!
    Ohne eine funktionierende Gerichtsbarkeit keine Korruptionsbekämpfung, keine Gesetzestreue und keine Rechtssicherheit = kein Wirtschaftswachstum. Auch wenn man mit einem Gericht möglichst nichts zu tun haben will, ist das leider nicht anders möglich.

  5. Soline

    @Istra

    Zitat von dir: Die Richter, die Staatsanwälte, die Anwälte, die geschulten Angestellten, alles fehlt!

    Bezüglich der Anwälte muss ich dir vehemend wiedersprechen. In Kroatien gibt es im Moment viel zuviel davon und mit deren Hilfe wurden/werden Prozesse über Jahrzehnte geführt.

    Neben den Politikern aller Parteien gibt es nach m.M. keine Gruppe in Kroatien, die das Volk soviel betrügt und betrogen hat, wie sog. Rechtsanwälte.

    Interessant ist auch die Tatsache, dass der grösste Teil der in Kroatien verantwortlichen Politiker aus Personen besteht, die Jura studiert haben. Es scheint ein Fach zu sein, welches sehr beliebt war und immer noch ist, weil sich grosse Einnahmequellen erschliessen lassen. Wie im Bericht geschildert, werden langjährige Prozesse wegen einer Forderung von 210 Kuna geführt.

    Nicht die Richter, die Angestellten und Anwälte sind das Problem, sondern die Gerichtsordnung, die anscheinend nicht nach normalen Maßstäben vorhanden ist.

    Dazu noch ein Hinweis. Um die Grundstücksfragen auf der Insel Krk klären zu können benötigen die Gerichte nach m.M. noch mindestens 200 Jahre, wenn es so, wie bisher weiter geht.

  6. istra

    @soline

    Wo ist da ein Widerspruch?
    Mit Ausnahme der Zahl der Anwälte, die Deiner Meinung heute schon ausreichend wäre, sind wir einer Meinung. Aber DAS sind ja keine Anwälte. Das sind oftmals Betrüger! Die kennt man ja.

    Auch ich habe in meinem Kommentar zum Fall “Berufsverbot für Rechtsanwalt Ante Nobilo” aktuell geschildert, wie die Rechtsanwaltkammer einen betrügerischen Anwalt schützte. Eine unverantwortlich handelnde Anwaltskammer gehört gestürzt.

    Aber bitte, keine Frage! die Ausbildung der Anwälte, ihr Berufskodex und die Rechtsanwaltskammer gehören in Richtung Deines/meines Einspruchs deutlich reformiert!

    Das andere Problem, dass sachfremde Rechtsanwälte in allen Bereichen der Wirtschaft und Politik Posten einnehmen, wo eigentlich Fachleute hingehören, ist in allen EU-Staaten dasselbe. Das schadet der Gesellschaft enorm weil die ahnungslosen Paragraphenreiter die Leistungsfähigkeit und den Erfindungsreichtum ausbremsen.

  7. Lahora

    Ich finde, wenn man reale Beitrittsschancen von der EU-Kommission erwartet, muß man sich mit den EU gültigen Standards messen lassen. Wenn es beispielsweise in Deutschland üblich ist, dass vieteljährlich bzw. monatlich Statstiken über die Erledigung von Verfahren bei der StA oder den Gerichten veröffentlicht werden, welche zu einem ganz erheblichen Arbeitspensum der Richter und Staatsanwälte führen, dann muß dies auch in Kroatien entsprechend umgesezt werden. Arbeitsverweigerung und überlange Prozessdauer – egal ob politisch motiviert oder aus welchem sonstigen Grund – können nicht hingenommen werden und müssen vor Ratifizierung des Beitrittsvertrages auf Änderungen geprüft werden. Die Frage ist nur die; ist das was da von Kroatien verlangt wird, auch von anderen Beitrittskandidaten seinerzeit erfüllt worden? Ich erinnere nur an die Aussage von ex – Eu Kommissar Chris Patten; “Rumänien ist ein wildes Land”. Was also ist wichtiger; die Justizreform oder ein Netzwerk an Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft, das Jadranka Kosor abgesprochen wird?

  8. istra

    @Lahora

    die Rückständigkeit der Justiz in Kroatien ist in der Tat riesig. Ich traue mir da kein Urteil, aber eine Meinung aus mehreren Jahren Erfahrung und Beobachtung zu. Die Wünsche der EU sind derzeit unerfüllbar, weil es an gesetzlichen und Sachlichen Vorraussetzungen fehlt. Um diese im Sinne der EU zu erfüllen, braucht es etwa 2 Milliarden Euro und etwa 8 Jahre Umbau.
    Wenn ich die EU wäre, würde ich das auf Vertrauen und Verträge gründen, damit Kroatien die Mittel und die Zeit bekommt, um ihr Justizsystem gründlich zu reformieren, und sie trotzdem in die EU aufnehmen.
    Die wichtigste Vorraussetzung dazu ist aber auch bei mir: VERTRAUEN.

    Genau das scheint mir das Problem zu sein. Nachdem Kroatien zweimal versucht hat die EU zu narren (Ante Gotovina angeblich nicht auffindbar bzw. Blockade der Justizreform) ist bei der EU zuviel Mißtrauen. Die extreme nationalistische Reaktion Kroatiens auf die Verurteilung Ante Gotovinas, wobei von Kroaten die absolut gerechte und richtige Zurückeroberung der kroatischen Krajina mit der Ermordung bzw. Vertreibung von Zivilisten durch Gotovina und Kumpane fälschlicherweise verwechselt wird, zeigt der EU, dass Kroatien nationalistisch überreagiert und daher verleugnet, was einen Rechtsstaat ausmacht. Das Vertrauen ist gegenseitig gestört, und muß erst in JAHREN der Aufarbeitung wiedererlangt werden.
    Es gibt also keine schnelle Lösung der kroatischen Probleme, weil der Nationalismus die Sicht versperrt. Kroatien müsste sich also ganz gegen den derzeitigen Trend mental öffnen und umorientieren, damit die EU einen Vertrauensvorschuss leistet. Macht Kroatien dass nicht, wird es der Ewige Beitrittskanditat wie die Türkei. Mit den derzeitigen Politikern scheint es wieder nicht zu gehen. Eventuell mit der nächsten Generation? Quo Vadis Hrvatska?

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