Todestag von Josip Broz Tito
Heute, am Sonntag dem 4.5.1980 ist der auf Lebenszeit (Artikel 333 der Verfassung von 1963) ernannte Präsident der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in einem Krankenhaus von Ljubljana nach einer schweren Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben. Hinweise auf eine Erkrankung hatte es bereits im Januar des gleichen Jahres gegeben.
Über ihn, der kroatisch/slowenischer Abstammung war, sind schon unzählige Biographien in deutscher Sprache veröffentlicht worden. Dabei wird vorwiegend der Eindruck erweckt, er sei bereits früh politisch gebildet und ein guter Stratege sowie intelligenter Gestalter der kommunistische Bewegung in Jugoslawien gewesen. Seine Klugheit und sein strategisches Denken werden oft in den Vordergrund gestellt. All diese ihm zugeschriebenen Attribute können angezweifelt werden.
Es wurde nämlich – gewollt oder ungewollt – übersehen, dass Tito zu Beginn seiner politischen Karriere entscheidende Fehler begangen hat. Er hatte damals noch wenig Erfahrung und Kenntnisse, wie sein Lebensabschnitt in der Zeit 1920 bis 1927 zeigt. Er war in einer armen bäuerlichen Umgebung aufgewachsen. Als junger Mann hat er als Industriearbeiter in verschiedenen europäischen Ländern gearbeitet und dadurch unterschiedliche sozialistische Bewegungen kennengelernt. Er wurde später, wie viele seiner Landsleute, Soldat der Habsburger-Armee im I. Weltkrieg und wurde verwundet.
Die bekannteste deutschsprachige Biographie über ihn stammt von dem montenegrinischen Politiker und Schriftsteller Milovan Djilas. Er hat sie im Jahre 1980, in dem Jahr, in dem Josip Broz Tito gestorben ist, veröffentlicht. Erstaunlich ist die Tatsache, dass er über diesen Lebensabschnitt nur berichtet: “Es begannen die Jahre der ständigen Ortswechsel Titos auf dem Balkan, der Entlassungen wegen politischer Betätigung. In Bakar wird er verhaftet, in Ogulin zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt” (S. 33). Eine Verkürzung, die durch nichts begründet werden kann. Auch der österreichische Publizist Carl Gustav Ströhm geht in seinem 1976 veröffentlichten Buch “Ohne Tito – Kann Jugoslawien überleben?“ auf diesen Zeitabschnitt (1920-1927) nur kurz ein, der bekannte deutsche Südosteuropaexperte Prof. Dr. Edgar Hösch in seinem Buch “Geschichte der Balkan-Länder“ überhaupt nicht.
Die Kommunistische Partei des am 1.12.1918 vom serbischen Prinzregenten Alexander ausgerufenen Königreiches Serbien, Kroatien und Slowenien, wurde bereits 1919 gegründet. Mit ihrem Programm stand sie dem Königreich ablehnend gegenüber. Bei den ersten Parlamentswahlen im Jahre 1920 konnte sie mit 12 % aller Wählerstimmen ein überraschend gutes Ergebnis erzielen, obwohl kaum organisatorische Strukturen vorhanden waren. Mit erstaunlich 58 Abgeordneten ist sie in das Parlament in Belgrad eingezogen. Das kann zwei Gründen gehabt haben. Erstens: Die Wähler waren gegen die Monarchie an sich, oder zweitens gegen einen gemeinsamen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen.
Broz kam während des Krieges in russische Gefangenschaft, aus der er fliehen konnte. Während dieser Zeit kam er erstmals mit kommunistischem und bolschewistischem Gedankengut in Russland in Verbindung. Gemeinsam mit seiner russischen Frau Pelagija Bjelussova und seinem Sohn Alexander-Miša, ist er im Laufe des Jahres 1920 in seine Heimat und damit in das neu gegründete Königreich zurückgekehrt. Das genaue Datum ist nicht bekannt. Er lebte zunächst in Zagreb und hat beim weiteren Aufbau der kommunistischen Partei sowie der Gewerkschaften mitgewirkt. Eine richtige politische Schulung hatte er nicht erfahren.
Durch ein Gesetz vom 30.12.1920 wurde die Partei verboten und es wurde jegliche „kommunistische“ Tätigkeit unter Strafe gestellt. Eine genaue Definition davon, was „kommunistisch“ bedeutet, enthielt es nicht. Trotzdem, setzte Broz seine politische Arbeit fort, da er gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse kämpfen wollte. Seine Aktivitäten waren jedoch eher von seinem Elan und weniger davon, wie man sich im politischen Untergrund verhalten muß geprägt.
Er war nicht alleine, sondern fand im ganzen Königreich Mitkämpfer. Auch in Kraljevica, an der kroatischen Adriaküste, hatte sich zu dieser Zeit eine kleine Zelle gebildet, welche im Geheimen für den Kommunismus und Bolschewismus gekämpft hat und die sich gegen die Ausbeutung der Arbeiterschaft wehrte. Zu ihr gehörten Arbeiter aus den Orten Bakar und Hreljin. Zu diesem Kreis stieß im Jahre 1924 der Arzt und Intellektuelle Dr. Pavle Gregorić, der in der baktererioligischen Station der Stadt, die sich im ehemaligen Hotel „Liburnija“ befand arbeitete und mit der Bekämpfung der damals herrschenden Malaria beauftragt war.
Ende Mai 1925 traf Dr. Gregorić den aus Zagreb angereisten Broz zum ersten Mal auf einer geheimen Sitzung in Kraljevica. Eine für ihn und seinem Gesprächspartner gefährliche Angelegenheit, weil Dr. Gregorić schon am 24.12.1924 schon einmal wegen seiner geheimen kommunistischen Tätigkeit von der Gendarmerie verhört worden war. Ihm wurde vorgeworfen, seine Malariapatienten aus der Gegend und auf der Insel Krk kommunistisch beeinflusst zu haben. Aufgrund einer Anordnung des Gedarmeriekommandanten aus dem nahegelegenen Sušak, einem Stadtteil von Fiume ( Rijeka), der unter der Verwaltung des Königreiches stand, kam er dann ab dem 9.5.1925 unter besonderer Polizeikontrolle. Es war also ein Treffen, das für die geheime Parteiorganisation aussergewöhnlich gefährlich war. Deshalb hat Dr. Gregorić wenige Tage danach die Stadt verlassen und sich nach Trogir begeben, wo er Arbeit in einem Institut zur Bekämpfung der Malaria gefunden hatte. Er hat sich so der Kontrolle von der Gendarmerie aus Sušak entzogen und konnte in Trogir seine geheime Parteiarbeit fortsetzen.
Bei der Besprechung im Mai 1925 zeigte Broz ein großes Interesse an der Parteiarbeit, kritisierte zugleich jedoch heftig die unzureichende Zusammenarbeit mit anderen Parteigruppen in der Umgebung. Danach ist er wieder nach Zagreb zurück gereist. Nach seiner Abreise haben die Arbeiter ihre Untergrundtätigkeit ohne ihn fortgesetzt. Um neue Anhänger zu finden, organisierten sie Sportveranstaltungen und sorgten dafür, dass ihre Genossen auch lasen und sich kulturell beschäftigten.
Ab September 1925 wohnte Josip Broz mit seiner Familie fest in Kraljevica und arbeitete an der dortigen Werft, die von den Habsburgern betreits 1729 gegründet worden ist. Sie hieß zu diesem Zeitpunkt „Jugoslavenska Brodogradilišta d.d.“ und war eine Aktiengesellschaft, die sich überwiegend im Besitz von Banken befand. Die Situation für die Werftarbeiter war sehr schlecht, es gab keinerlei soziale Rechte und die ständigen Hilferufe an das zuständige Ministerium in Belgrad blieben ungehört. Somit war hier ein guter Nährboden für kommunistische Agitation vorhanden, die Broz für seine Zwecke nutzte.
Hier wurde er sehr schnell zum Sekretär der Metallarbeitergewerkschaft gewählt. Nach dem er Anfang September 1926 in der Werft einen zweiwöchigen Streik mitorganisiert hatte, wurde ihm sofort eine verbotene kommunistische Parteiarbeit vorgeworfen und er kehrte bereits Anfang Oktober 1926 wieder nach Zagreb zurück. Dadurch konnte er sich dem Druck der Behörden entziehen und es war für ihn leichter, sich für die Arbeiterbewegung einzusetzen. Er wurde Sekretär der Metallarbeitergewerkschaft von Kroatien und zusätzlich Sekretär des Stadtkomitees der illegalen kommunistischen Partei von Zagreb.
Die Genossen in Kraljevica setzten ihre Arbeit fort, die jetzt unter der Leitung von Ivan Dujmić aus Bakar standen. Am 8.4.1958 erklärte Dujmić anläßlich eines Besuches von Tito, wie er sich jetztz nannte und der inzwischen Staatspräsident von Jugoslawien geworden war, in Kraljevica: „Nach der Abreise des Genossen Josip Broz aus Kraljevica habe ich dessen Arbeit fortgesetzt und selbstverständlich habe ich auch schriftliche Instruktionen an die Genossen gegeben. Diese sind von Gendarmen aus Kraljevica bei Hausdurchsuchen gefunden worden, obwohl sie vernichtet werden sollten.“ Dabei vergaß er allerdings zu erwähnen, daß auch bei ihm selbst, belastendes Material gefunden worden ist.
Am 11. und 12.6.1927 wurde auf eine Anordnung des Innenministeriums in Belgrad vom 21.5.1927 hin, bei verdächtigen Arbeitern und deren Symphatisanten in Kraljevica, Bakar und Hreljin durch die Gendarmerie eine große Durchsuchungs- und Verhaftungsaktion durchgeführt. Dabei sind Rade Celer, Vjekoslav Franović, Filip Pavešić und Ivan Pravdić aus Kraljevica sowie Ivan Dujmić aus Bakar und Lovro Juretić aus Šmrika festgenommen worden. Man warf ihnen vor, sie seien Mitglieder des unabhängigen Arbeiterbundes und gleichzeitig Kommunisten. Bei ihnen seien kommunistische und bolschewistische Broschüren, Bücher und Zeitungen gefunden worden, mit denen sie das Volk und die Arbeiter gegen den Staat und gegen die Unternehmer aufwiegeln wollten. Diese Aktion wurde unter der Leitung der einheimischen Gendarmen Ivan Puc, Pavle Skoka, Đure Sunajk, Ivan Šaban und Franjo Čulinović durchgeführt.
Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Verhafteten naiv und sehr unvorsichtig verhalten hatten. Folgende Schriften sind u.a. bei Ihnen gefunden worden: Ein Buch mit dem Titel „Der Beginn des Kommunismus“ der russischen Autoren N. Buharin und E. Preobraženski, in dem das Programm der russischen kommunistischen Partei vorgestellt wird. Eine Broschüre mit dem Gründungsmanifest der III. Kommunistischen Internationale. Eine Broschüre mit einer Rede von Živko Topalović, die dieser 1920 in Belgrad gehalten hatte und die im Auftrag der Sozialistischen Arbeiterpartei im gleichen Jahr in Osijek gedruckt worden war. Ein Buch mit dem Titel: „Entwicklung des Kommunismus“, von Friedrich Engels, welches 1921 von Zdravko Todorović in Belgrad übersetzt und herausgegeben worden ist. Eine Broschüre mit dem Titel: „Währungsfragen“ von Sime Marković, im Jahr 1920 in Belgrad heraus gegeben. Ein Buch mit dem Titel: „Karl Marx und sein Leben“ von Klara Zetkin. Eine Broschüre mit dem Titel: „Arbeitslosigkeit“ von Pavle Pavlovic, 1926 in Belgrad erschienen.
Bei Rade Celer hat man ein Bild des russischen Kommunistenführers Vladimir I. Lenin und einen Brief von Ivan Dujmić, in dem dieser zu einer Sitzung einlädt und zusätzlich noch kommunistisch/sozialistische Ideen propagiert, gefunden. Bei Vjekoslav Franović wurden zwei Bände mit dem Titel: „Weisser Terror“ und eine Broschüre des internationalen Roten Kreuzes entdeckt. Als man den Anführer Ivan Dujmić in Bakar festnahm, fand man in seiner Wohnung ein Buch mit dem Titel „Bolschewistisches Russland“ sowie einen so genannten „Roten Kalender von 1926 und auch ein Bild von Vladimir I. Lenin.
Alle Festgenommenen wurden zunächst in die Gendarmeriestation nach Kraljevica gebracht. Dort hat man sie einzeln verhört und – wie damals nicht unüblich – wahrscheinlich auch mißhandelt. Ob es in den gefundenen Schriften einen Hinweis auf Broz gegeben hat, ist nicht bekannt. Man kann eher annehmen, dass einer der Verhafteten beim Verhör den Namen Josip Broz aus Zagreb ins Spiel brachte. Fest steht jedoch, dass er am 13.06.1927 aufgrund eines Haftbefehls eines Richters aus Bakar in Zagreb und nicht, wie von Milovan Djilas geschrieben, in Bakar verhaftet wurde. Die Begründung lautete: Er sei für die kommunistische Partei aktiv, obwohl dieses verboten sei. Belastungsmaterial hat man bei ihm in Zagreb nicht gefunden.
Mit der Eisenbahn ist Broz über Sušak dann in das Untersuchungsgefängnis des zuständigen Gerichtes, nach Bakar gebracht worden. Dort befanden sich inzwischen auch die anderen Festgenommenen in Untersuchungshaft. Zu denen waren noch drei weitere Arbeiter hinzugekommen. Es handelte sich um Ađela Blažin, Franjo Grubišić und Viktor Paškvan, denen das Gleiche wie den anderen Inhaftierten vorgeworfen wurde. Auf Verlangen der Polizei aus Sušak wurde ausserdem in Peterwardein der Soldat Josip Cuculić aus Hrelin festgenommen, der gerade zu dieser Zeit dort seinen Wehrdienst abgeleistete.
Unter dem Titel: „Grosse Verhaftungsaktion von Kommunisten in Kraljevica und Bakar“ berichtete die Zeitung „Obzor“ aus Zagreb in ihrer Ausgabe Nr. 186 vom 15.07.1927 (Seite 3) ausführlich über diese Aktion.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Stadtverwaltung von Bakar direkt um diesen Fall gekümmert hat. Mit Schreiben vom 16.07.1927 teilte der Bürgermeister dem zuständigen Leiter der Gespanschaft (Župan) in Karlovac mit, dass zwei Gendarmen aus Kraljevica bei dem Einwohner Ivan Dujmić eine Hausdurchsuchung durchgeführt und kommunistisches Propagandamaterial gefunden hätten. Ausserdem hat er darauf hingewiesen, dass bereits im Jahre 1925 bei diesem eine Hausdruchsuchung stattgefunden habe, weil er unter dem Verdacht stand, mit dem kommunistischem Redakteur Vladimir Čopić aus Zagreb Kontakte aufgenommen zu haben.Bei der letzten Parlamentswahl habe Ivan Dujmić für den Wahlbezirk Sušak kandidiert und für die unabhängige Arbeiterpartei 36 Stimmen errungen. Abschliessend hat er in dem Schreiben verlangt, dass der zuständige Berirksstaatsanwalt aus Ogulin, mit aller Härte gegen die Beschuldigten vorgehen soll.
Unter schwerer Bewaffnung und aneinandergekettet wurden die 10 Verhafteten zusammen mit Broz, am 20.07.1927 zum zuständigem Bezirksgericht nach Ogulin gebracht. Die Arbeiter kamen in das dortige Untersuchungsgefängnis und er selbst wurde in Zelle 6, der Mitangeklagte Dujmić in Zelle 8 der alten Frankophanenfestung von Ogulin gesperrt – obwohl diese Festung ursprünglich nur als Gefängsnis für Kriminelle vorgesehen war (Anmerkung: Diese Zelle kann heutzutage besichtigt werden). Man wollte so verhindern, dass sie Kontakt zu den anderen Angelagten hatten.
Das Bezirksgericht nahm seine Untersuchungen auf entließ nach einigen Tagen sieben Beschuldigte aus der Haft: Vjekoslav Franović, Ivan Pravdica, Filip Pavešić, Lovro Juretić, Franjo Grubišić, Anđelo Blažina und Viktor Paškvan. Broz, Dujmić und Celer blieben weiter in Untersuchungshaft.
Ungeachtet dessen schrieb die Zagreber Zeitung „Obzor“ am 14.08.1927 (Nr.216, Seite 5) noch einmal, dass unzählige Personen aus der Gegend um Kraljevica verhaftet worden seien und dafür gesorgt wurde, dass diese nicht über die nahe gelegenen Grenze flüchten konnten.
Man kann davon ausgehen, dass sich das Bezirksgericht in Ogulin zum ersten Mal mit solch einem politischem Fall zu beschäftigen hatte. Aufgrund dessen und wegen der schlechten Ernährung und Unterbringung sagte der Untersuchungshäfling Broz: „Ich trete in einen Hungerstreik! Ich protestiere gegen das System hier in dem Gefängnis. Ich wurde von einem in das andere Gefängnis geworfen und unter schwersten Bedingungen. Ich habe gegen die schlechte Ernähung hier protestiert und nichts hat sich geändert. Aus diesem Grund lehne ich jede weitere Nahrungsaufnahme ab.“
Dieser Hungerstreik schwächte ihn körperlich sehr. Er fiel bereits nach drei Tagen mehrmals in Ohnmacht, hielt jedoch durch. Nach fünf Tagen Hungerstreik suchte ihn der Präsident des Bezirksgerichtes, Stjepan Bakarić, in seiner Zelle auf. Broz verlangte von ihm eine sofortige Verhandlung, die ihm dann zugesagt wurde. Nun beendete er seinen Hungerstreik.
Am 21.08.1927 wurde er gemeinsam mit Celer aus der Untersuchungshaft entlassen. Es wurde ihnen erlaubt, sich bis zur Gerichtsverhandlung von „freiem Fuss“ zu verteidigen. Dumić musste weiter in Untersuchungshaft bleiben.
Broz reiste direkt nach Zagreb und schrieb einen Artikel für die illegale Zeitung „Borba“ (Nr.41, Seite 3), der am 27.08.1927 erschien. Darin beschreibt er den ganzen Fall und wirft den Behörden vor, sich in der Öffentlichkeit des Königreiches blamiert zu haben. Er verhält sich also nicht konspirativ, wie es notwendig gewesen wäre. Mit einer politischen Strategie lässt sich dieser Artikel nicht erklären.
Die Gerichtsverhandlung vor dem Bezirksgericht in Ogulin begann am 25.10.1927. Angeklagt waren in dieser Reihenfolge:
Ivan Dujmić, 34 Jahre alt, geboren und wohnhaft in Bakar. Religion römisch katholisch, geschieden, Vater zweier Kinder, Geschäftshelfer, schreibkundig, vorbestraft am 21.09.1921 wegen Verstoß gegen § 312 und zu 140,00 Kronen Geldstrafe verurteilt. Ivan Pravdica (Tomin), geboren am 09.11.1908, 18 Jahre alt und wohnhaft in Kraljevica, Haus Nr. 194, römisch katholisch, unverheiratet, Schlosser, schreibkundig, nicht vorbestraft. Rade Celer, 31 Jahre alt, geboren und wohnhaft in Kraljevica, Haus Nr. 193, römisch katholisch, unverheiratet, Schumacher, schreibkundig, nicht vorbestraft. Josip Broz, 35 Jahre alt, geboren in Kumrovac, Haus Nr. 15, Kotar Klanjec, wohnhaft in Zagreb, Trešnjevka III. Haus Nr. 25, römisch katholisch, verheiratet, Vater eines Kindes, schreibkundig, Mechaniker, nicht vorbestraft.
Nur Ivan Dujmić wurde aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Die anderen Angeklagten erschienen aus eigenem Willen zum Prozeß. Unter der Leitung des Bezirksgerichtspräsidenten Stjepan Bakarić dauerte dieser vier Tage bis zum 28.10.1927. Aus unterschiedlichen Veröffentlichungen geht hervor, dass sich Richter Stjepan Bakarić gegenüber den Angeklagten sehr wohlwollend verhalten hat.
Letztendlich fällte er folgende Urteile: Dujmić erhält eine Gefängnisstrafe von 12 Monaten, Celer erhält eine Gefängsnisstrafe von 7 Monaten, Broz erhält eine Gefängnisstrafe von 7 Monaten, Pravdica erhält eine Gefängsnisstrafe von 6 Monaten.
Darüber hinaus erhielten alle Angeklagten noch Geldstrafen und wurden zur Zahlung der Gerichtskosten verurteilt, was damals eine grosse Strafe bedeutete. Auf Beschluss des Gerichts hatten die einige Zeit vorher in Untersuchungshaft sitzenden Juretic, Franovic und Pavešić ebenfalls die Gerichtskostentaxe zu zahlen, obwohl sie gar nicht angeklagt worden waren.
Was ist an dem hier Geschilderten – dem Prozess und den Urteilen – bemerkenswert? Es zeigt, dass die im Untergrund agierenden Parteigenossen trotz des Verbotes ihrer Partei, nicht konspirativ genug verhalten haben. Es zeigt, dass zumindest einer der Parteigenossen den in Zagreb lebenden Genossen Broz wahrscheinlich an die Gendamerie verraten hat. Er zeigt, dass er nicht der einzige Angeklagte in Ogulin war. Er zeigt, dass sein Parteigenosse Dujmić eine wesentich höhere Strafe bekommen hat. Er zeigt, dass die Gendarmerie in Karljevica hart gegen diese Untergrundarbeit vorgegangen ist. Es zeigt aber auch, dass Bezirksrichter Bakarić in Ogulin ein verhältnismässig mildes Urteil gesprochen hat.
Bemerkenswert ist, dass keiner der Mitverhafteten und Mitangeklagten nach dem II. Weltkrieg, als die Kommunistische Partei Jugoslawiens an der Macht und Josip Broz Tito deren Vorsitzender war, eine führende Rolle in der Partei oder gar in staatlichen Organen erhielt. Nur Dujmić wurde auf dem Kongress der kommunistischen Partei von Kroatien, der am 01. und 2.08.1937 in Anindol bei Samobor stattfand, für eine kurze Zeit lang ins Zentralkomitee der Partei gewählt.
Quelle: Ogulinski Proces Josipo Brozu, von Mihael Sobolevski (Ogulin 1968).